Groß-Kinder berichten auch vom Leben ohne den Vater

Neuer Film ,,Der Abschiedsbrief“ über Nikolaus Groß zeigt, wie sehr das Gedenken ans Erbe des Vaters heute lohnt

„Zur Aktualität eines vor fast 80 Jahren ermordeten Seligen“: Das war mit Dr. Jürgen Aretz (Bonn)  Thema in Niederwenigern, parallel zur Erstaufführung eines neuen Nikolaus Groß-Kurzfilmes, dort in seiner Heimat- und Hochzeitskirche St. Mauritius. Der zwölfminütige Kurzfilm zum Abschiedsbrief des Seligen an seine Familie bereichert in Zukunft die Arbeit des Museums ,,Nikolaus Groß Haus“ am Ort. Auch im Schulunterricht zum Alltag und Leben im NS-Staat wird der Film mit Aussagen und Porträts von vier Kindern des Seligen genutzt. Film-Produzent ist Robert Groß, Kölner Medienmacher und Groß-Enkel. Sein Vater Alexander kommt trotz verfilmter Gespräche im neuen Werk, zum Brief des Nikolaus Groß aus dem Gefängnis an seine Lieben, nicht vor.

„Aufgrund seiner Parkinson-Krankheit und der damit verbundenen Situation unseres Gesprächs war das Film-Material des Vaters leider nicht mehr zu verwenden“, erklärt Robert Groß. Allerdings führen die Äußerungen und Gedanken seiner verstorbenen Geschwister Berny, Marianne, Bernhard und Leni intensiv in die Gedanken des gefangenen siebenfachen Familienvaters vor dem Tod 1945 ein. Sie beleuchten den Brief als historisches Zeugnis, liefern aber auch  Hintergründe zu ihrem Leben 1944/45 und in der Nachkriegszeit. Entstanden waren die Gespräche  bis 2012: Sie füllen als Basis-Material des Films insgesamt 120 Film-Stunden.

Ergebenheit und Familiensinn des gehenkten Vaters, die sich im Abschiedsbrief spiegeln, bestätigen auch die vier Groß-Kinder aus ihrer Erinnerung. Andererseits beleuchten sie ihre Situation im Konflikt des die Familie liebenden Vaters, der aber zeitintensiv und teilweise ohne Wissen der Familie seinen Kampf gegen das Regime führen musste. Nach dem Verlust des Vaters durch das Urteil des Regimes mussten sie mit der Mutter zu siebt im kriegszerstörten Köln weitgehend mittellos zurechtkommen.

Weil der Vater aus dem Glauben für Würde und gegen das Regime eintrat, ließ er nach dem Unrechts-Urteil des Volksgerichthofes sein Leben. Über Erfahrungen zwischen Familie und Widerstand, kommt auch Stefan Hülsdell, vom Museums-Trägerverein, mit Schülern intensiv ins Gespräch. Sie bewegt die Erfahrung, die Groß-Tochter Marianne Reichartz im Film benennt: ,,Zurück blieben sieben unversorgte Kinder“.

Am Abend der Filmvorstellung in der Kirche erlebten weit über 100 Zuhörende auch das historisch-politische Referat des Geschichtsforschers und früheren Staatssekretärs Dr. Jürgen Aretz. Der renommierte Wissenschaftler sprach zur Bedeutung des Seligen für unsere Demokratie und beleuchtete zugleich den Alltag und Kampf des Seligen unter dem NS-Regime.

„Menschen heute bezweifeln oft, dass Geschichte unsere Gegenwart mitbestimmt. Nikolaus Groß, der sich in journalistischer Arbeit immer wieder auf die Geschichte bezog, hätte darauf klare Antworten gehabt. Richtig sei, dass unter allen Geschöpfen der Mensch das einzige Wesen ist, das abstrakt aus den Erfahrungen der Geschichte lernen kann. Ob er es tut, ist eine andere Frage“, so der Fachmann für politisches Wirken katholischer Arbeitnehmer zur NS-Zeit. Dann wurde Dr. Jürgen Aretz politisch: „Wir dürfen den Rechtsstaat nicht in Frage stellen. Er ist unverzichtbare Voraussetzung für das freiheitliche Gemeinwesen.“

Opponierende, so der Wissenschaftler, „dürfen wir heute nicht auf eine Stufe mit Menschen stellen, die in der NS-Diktatur unter Todesgefahr für das Richtige eingetreten sind. Moralische Selbsterhöhung“ - etwa die mancher Aktivisten der Klimakleber – „ist mit demokratischen Grundsätzen nicht zu vereinbaren“. Bei uns andere Auffassungen zu vertreten, sei kein Widerstand, sondern allein Meinung und Opposition.

Den Abend hatte der „Nikolaus Groß Niederwenigern e.V.“ mit Stefan Hülsdell und seinem Vorsitzenden Michael Kriwet organisiert. Nach Vortrag und Film kam es am kleinen Buffet in der Kirche zu Begegnungen zahlreicher Mitglieder der großen Groß-Familie, die überall in Deutschland verteilt lebt. Enkel Thomas Groß (64, Dinslaken), war froh Menschen aus der Familie, aber auch Bürger aus Niederwenigern, KAB-Aktive sowie wissenschaftlich Interessierte zu begrüßen. „Wir erleben heute die Gefährdung unserer Demokratie. Lassen Sie uns dafür eintreten, dass Werte wie Menschenwürde und Mittun in der Gesellschaft besonders zählen.“

Autor: uw

Robert Groß

Hr. Aretz

Hr. Hülsdell

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