Seid barmherzig…

- Gedanken zur Jahreslosung 2021 -

 

In jedem Jahr wählt die ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen eine sogenannte Jahreslosung aus, eine Bibelstelle, die eine zentrale und einprägsame Aussage beinhaltet und auch eine aktuelle Botschaft in die Zeit schickt.

 

„Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.“ (Lk 6,36)

 

so lautet die Jahreslosung für das Jahr 2021, ein Zitat aus der Feldrede, die, obwohl sie deutliche Parallelen zur Bergpredigt aufweist, nicht so bekannt ist wie das berühmte „Grundsatzprogramm“ der christlichen Ethik bei Matthäus.

Was meint eigentlich „barmherzig“? Zur Wortgeschichte gibt es unterschiedliche Theorien, die aber grundsätzlich alle eine Zuwendung zu Bedürftigen beschreiben.

Wir kennen diesen Begriff aus den unterschiedlichen Erzählungen der Bibel im Alten und Neuen Testament. Da ist der barmherzige Samariter, der barmherzige Vater, der sich seines zurückgekehrten Sohnes annimmt. Lukas 6,36 beschreibt die Barmherzigkeit grundsätzlich als eine göttliche Eigenschaft, die aber den Menschen auch in die Pflicht nimmt.

Gerade in der zurückliegenden weihnachtlichen Zeit wird regelmäßig an unsere Barmherzigkeit appelliert, Briefe mit Spendenaufrufen flattern ins Haus, und auch die großen christlichen Kirchen mit ihren Hilfswerken starten solche Aktionen um das Weihnachtsfest, wohl wissend, dass gerade in dieser Zeit die Menschen sensibel sind für die Not der anderen: Das bedürftige Kind in der Krippe öffnet unsere Herzen.

Nun ist vergleichsweise einfach, im Advent und zu Weihnachten, bedürftigen Menschen zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Es ist einfach, wenn sie anonym sind oder ich sogar persönliche Zuneigung für sie empfinde. Spannend wird es dann, wenn diejenigen mich zuvor selbst verletzt haben. Wie verhalte ich mich dem gegenüber, der mich gedemütigt hat und dennoch meine Unterstützung braucht?

Barmherzigkeit ist ein Liebesdienst ohne zu erwartende Gegenleistung, aber noch mehr als das: Sie ist der Gegenpol zum System der Vergeltung. Wir kennen die berühmten Beispiele aus der Bergpredigt bei Matthäus 5,39 oder aus der Feldrede bei Lukas 6,29: “Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, halte ihm auch die linke hin“ Wenn ich barmherzig bin, reagiere ich auf Hass mit Liebe und auf Gewalt mit Gewaltlosigkeit und beende so die Spirale des Bösen.

Jesus hat das vorgelebt, nicht nur in der eigenen Passion, er ist barmherzig gegenüber Sündern und Ausgegrenzten und mahnt immer wieder an, es genauso zu tun.

Barmherzigkeit meint nicht verzeihen oder gar vergessen. Es bedeutet, mich auch jemanden zuzuwenden, obwohl er etwas getan hat, dessen Folgen ich noch spüre, ihn aufzurichten, obwohl er mich vielleicht niedergestreckt hat. Ich „trete nicht nach“, ich bin stark genug, den Kreislauf des Bösen zu durchbrechen.

Im Alten Testament beschreibt Psalm 103 die Wechselbeziehung zwischen göttlicher und menschlicher Barmherzigkeit: Gott ist in „Vorleistung getreten“ und hat den Menschen auf vielfältige Art und Weise Barmherzigkeit erfahren lassen. Er hat aber auch den Menschen mit diesem Wesensmerkmal „gekrönt“, so dass er in der Verantwortung ist, das Erfahrene weiterzugeben.

 

Lobe den Herrn, meine Seele,

und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

Lobe den Herrn, meine Seele,

und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:

der dir all deine Sünden vergibt und heilet alle deine Gebrechen,

der dein Leben vom Verderben erlöst,

der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit

 

Barbara Reene-Spillmann, Bildungsreferentin der KAB im Bistum Essen

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