Ab in die Wüste ...

- Über die Chance, das Wesentliche zu finden -

 

In meiner Freizeit gehe ich gerne wandern! Bewegung an der frischen Luft, vielfältige Sinneseindrücke in der Natur sind für mich eine Kraftquelle. Auch in anstrengenden Zeiten habe ich dabei das Gefühl den „Kopf freizubekommen“. Dazu gehört die spontane kleine Wanderung ins nahe Ruhrtal ebenso wie eine Sonntagswanderung im nahen Bergischen Land.

 

Ab in die Wüste…

Ich habe Wanderurlaub gemacht in Norwegen, in England, an der bretonischen Küste, in den Alpen und im portugiesischen Dourotal, ich war mit den Skiern unterwegs im mittelschwedischen Dalarna.  Und im Herbst 2019 bin ich in Palästina durch den Wadi Qelt gewandert, einem Tal in der Judäischen Wüste im Westjordanland. Diese Erfahrung war nun so eine ganz andere…. Normalerweise nehme ich bei meinen Wanderungen die vielfältigen visuellen Reize auf: Das Meer, den Wald, die Blumen und den Raureif auf den Bäumen. Auch wenn der Wadi Qelt einer der wenigen Wüstenflüsse ist, die das ganze Jahr Wasser führen, so waren die visuellen Reize eher gering:  braune Felsen, graues Geröll, etwas Grün direkt am Wadi, mehr Farben gab es nicht. Diese eintönige Landschaft verschafft wenig Ablenkung und führte dazu, dass ich meinen Gedanken nachhing, über das „was die Welt im Innersten zusammenhält“ um Goethe Faust  zu zitieren, mit anderen Worten Konzentration auf das Wesentliche.

„Und sogleich trieb der Geist ihn in die Wüste…“  so heisst es in Mk 1,12. Vor seinem Wirken in Galiläa zieht sich Jesus 40 Tage zurück in die Wüste, konzentriert sich dort auf das Wesentliche. Wüstengeschichten finden wir im Alten und Neuen Testament immer wieder, wie schon für das Volk Israel auf seiner Wanderung ins versprochene „Gelobte Land“   ist sie auch für Jesus der Begegnungsort mit Gott. Die Ursprünge der christlichen Mönchsbewegung liegen in der koptischen Wüste, hier wollten sie sich, durch nichts abgelenkt, Gott voll zuwenden.

Es gibt keinen menschlichen Lebensweg, keine Biografie, ohne „Wüstenetappen“. Das sind Lebensphasen, die uns herausfordern, die wir schnell hinter uns bringen wollen, um wieder das „Gelobte Land“ zu erreichen, dort wo alles gut ist. Aber lenken nicht gerade die Wüstenwege des Lebens unseren Blick auf das Wesentliche? Verändern wir nicht gerade durch Begegnung mit Krankheit, Tod, Trennung oder anderen Schicksalsschlägen unseren Blickwinkel? Da wird mir auf einmal bewusst, was wirklich wichtig ist in meinem Leben, da reflektiere ich über meinen Standort, da wird deutlich, ob ich mit meinem Leben in Einklang stehe oder einfach immer nur verdrängt habe. In den Wüstenetappen unseres Lebens zeigt sich, ob wir das Schicksal gestalten oder hadern. Sie machen mich auch sensibler für die Schwächen anderer und für deren Scheitern. Und wenn ich im „Gelobten Land“, in den besseren Zeiten angekommen bin, habe ich mich verändert.

Die Fastenzeit in diesem Jahr ist eingebettet in eine schon lang andauernde Phase des sehr reduzierten Lebens, wir „fasten“ seit einigen Monaten, in dem vieles, was Lebensqualität ausmacht, nicht möglich ist. Aber vielleicht können wir die Zeit nutzen, um uns klar zu werden über unseren Standort:

-         Was möchte ich aus dieser Zeit mitnehmen, beibehalten?

-         Was aus meinem “alten“ Leben kann ich beiseite lassen?

-         Was hat mich die Zeit über mich selbst gelehrt?

Ich bin mir sicher, dass unser „Gelobtes Land“ im Jahr 2022 anders aussehen wird als im Jahr 2019 aussah

Gott hat den Menschen nie Wüstenerfahrungen erspart, aber er ist mit ihnen gegangen und hat sich immer wieder gezeigt. Das Gebet von Christa Spilling Nöker nach Psalm 23 fasst diese Gedanken zusammen:

 

 

Auch in dunklen Zeiten

und in schmerzhaften Erfahrungen

Möge Gott dir beistehen

und dir immer wieder Mut

und neue Hoffnungen schenken.

in Situationen der Angst

möge er in dir die Kräfte wecken,

die dir helfen, all dem,

was du als bedrohlich erlebst,

standhalten zu können.

 


Impuls und Foto von Barbara Reene-Spillmann.

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