Liebe Frauen und Männer der KAB im Bistum Essen.
Träume sind etwas, das uns am Leben erhält. Träume motivieren, spornen an, lassen Zukünftiges erahnen. Sie machen Mut und geben Hoffnung. Manche Menschen, die uns begegnen, regen uns zum Träumen an. In diesen Tagen der österlichen Bußzeit schauen wir immer wieder auf einen, der ganz besonders zum Träumen angeregt hat. Mit seiner Botschaft vom Reich Gottes. In seinem Umgang mit Menschen am Rand der Gesellschaft. Durch seine intensive Beziehung zu Gott.
Und dann kommt der Karfreitag. Und aus der Traum. Ein brutaler Einschnitt. Der Traum von einer anderen Welt im Keim erstickt. Die Euphorie ist verflogen. Ernüchterung, Entsetzen und Angst bestimmen die Menschen damals. Aber diese Karfreitagserfahrungen sind ebenso Alltagserfahrungen wie sie viele Menschen heute in unserer Welt machen. Frauen, Männer und Kinder, die vor Krieg und Terror fliehen. Die Teile ihrer Familie zurücklassen und um ihr Leben fürchten müssen. Menschen, die mit einer physischen oder psychischen Krankheit zurechtkommen müssen. Die Schmerzen haben und für sich im Moment keine Perspektive sehen. Menschen, die einen Angehörigen oder Freund verloren haben. Die trauern und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Schnell kommt da der Gedanke auf: Aus der Traum!
Wirklich? Der Karfreitag zerstört nicht alle Träume. Der Tod Jesu ist nicht das Ende der Botschaft vom Reich Gottes.
Die lebensbejahenden Begegnungen Jesu mit den Menschen sind nicht einfach weg. Gott ist auch im Leiden und im Tod bei Jesus. Diese Zusage gilt auch für unser Leben. Das möchte der Verfasser des Hebräerbriefs zum Ausdruck bringen, wenn er schreibt: „Als er auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden.“ Selbst wenn uns Zweifel packen und uns die Angst überwältigt, können wir auf Gott bauen.
Denn in die Schatten des Karfreitags fällt schon etwas von dem österlichen Licht.
Dem „Aus der Traum“ haben wir als Christen etwas entgegenzusetzen. Trotz Hass und Gewalt sind viele Menschen in unserer Gemeinschaft, unseren Gemeinden und Städten sowie weltweit solidarisch mit Hilfesuchenden. Sie setzen Zeichen der Mitmenschlichkeit, indem sie gegen Fremdenhass auf die Straße gehen oder sich in vielfältigen sozialen Initiativen ehrenamtlich engagieren. In ihrer Krankheit oder Trauer erfahren Menschen, dass sie nicht alleine sind. Dass andere sie liebevoll unterstützen und ein offenes Ohr für sie haben. Ob dass die eigene Familie oder Freunde sind, das Pflegepersonal im Krankenhaus oder jemand vom Besuchsdienst. Diese ausgewählten Beispiele machen deutlich, dass das, was Jesus uns vorgelebt hat, auch heute lebendig ist. Dass der Traum von einer besseren Welt nicht tot zu kriegen ist.
Aus der Traum? – dahinter will ich auf jeden Fall ein Fragezeichen setzen. Die Erfahrungen des Karfreitags gehören zu unserem Leben dazu. Sie sind jeden Tag sichtbar in unserer Welt. Keine Frage! Und dennoch können wir als Christen an diesem Punkt nicht stehenbleiben. Die Frohe Botschaft und unser Glaube verweisen uns immer wieder darauf, dass Gott ein Gott des Lebens ist. Und das darf mit Blick auf Ostern keine Frage sein!
Diakon Jürgen Haberl, Diözesanpräses der KAB im Bistum Essen