Christsein…

- Wer hat mich in meinem Glauben geprägt? - Am 6. April starb im Alter von 93 Jahren der Schweizer Theologe Hans Küng. Es irritierte mich, dass ich zu dieser Todesnachricht in der Tageszeitung nur einen kleinen Artikel im Innenteil fand, während das Interview mit Prinz Harry und seiner Ehefrau Meghan eine ganze Seite einnahm.

Ja, er hat mich geprägt, dieser Hans Küng, genauso wie Uta Ranke-Heinemann und mein Professor Heinrich Missalla. Hans Küng wurde zu Beginn meines Studiums vor ungefähr vierzig Jahren die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Sein Buch „Christsein“ begleitete mich in der Universität, durch mein Referendariat als Religionslehrerin und auch durch mittlerweile 34 Jahre im kirchlichen Dienst. Es steht immer noch in meinem Büro auf dem Schrank. Küng griff in den siebziger Jahren bereits Themen auf, die wir heute wie selbstverständlich diskutieren: Die befreiende, nicht die einengende Botschaft des Evangeliums, die menschliche Seite von Jesus, der Liebe und Vergebung lebt.

Und auch Uta Ranke-Heinemann stellte bezüglich der Stellung der Frauen in der Katholischen Kirche Fragen, die damals „ketzerisch“, heute aber Gegenstand von Bewegungen wie Maria 2.0 sind.

Im Gegensatz zu den beiden genannten Theologen erlebte ich Heinrich Missalla als „meinen“ Professor und Lehrvater hautnah. Er, der sich nach den Erfahrungen in Krieg und Gefangenschaft in der kirchlichen Friedensbewegung Pax Christi engagierte, warf den kirchlichen Verantwortungsträgern vor, dass sie sich zu wenig mit dem Versagen der Kirche im Nationalsozialismus auseinandersetzen und sich schwertun mit einem Schuldeingeständnis. Missalla litt nicht nur darunter, dass Küng die Lehrerlaubnis entzogen wurde, sondern auch unter einer oft weltfremden Kirche, hatte er doch in seiner Zeit als Religionslehrer an der Berufsschule die Realität hautnah erlebt.

Auf die Frage eines Studenten im Jahr 1980, warum er denn in der Kirche bliebe, antwortete Missalla sinngemäß so:  “ Weil ich trotzdem an das Gute in dieser Kirche glaube und mitwirken möchte, sie in meinem Sinne zu verändern und zu gestalten.“

Dieser Satz und die damit verbundene Haltung haben mich durch die lange Tätigkeit im kirchlichen Dienst bis heute geprägt. Es gab und gibt immer wieder Situationen, in denen ich mich frage: Möchte ich wirklich mit meinem Namen noch für diese Kirche stehen?

Auch Küng blieb der Kirche treu, er wirkte nie verbittert oder unversöhnt, wie manche seiner Amtsbrüder, die nach der Aufgabe des Priesteramtes oder nach kirchlichen Sanktionen von Talkshow zu Talkshow reisten und mit der Kirche abrechneten. Küng engagierte sich weiter in der Ökumene, in der von ihm gegründeten Stiftung „Weltethos“ für den Dialog der Religionen.

Ja, es ist bestimmt manchmal einfacher zu gehen, sich zu distanzieren und die Kritik von außen anzubringen, als sich immer wieder zu reiben, aber es nimmt mir auch die Möglichkeit, Veränderungen zu bewirken.

    „Bleib im Boot und sieh zu, dass sich der Kurs ändert!“

Das gab Küng kurz vor seinem Tod einem Freund mit auf den Weg.

Wenn ich heute Positionen von Uta Ranke-Heinemann in Maria 2.0 wiederfinde, fällt mir zu den Kursänderungen und Entwicklungen in der Kirche das gerne von mir angeführte Beispiel der Schnecke ein: Wenn du lange nicht hingesehen hast, merkst du, sie bewegt sich doch!

In diesem Sinne möchte ich weiterhin dabeibleiben, zu meinen Überzeugungen stehen und versuchen, in deren Sinne zu verändern und zu gestalten.

Offene Fragen werden bleiben, manches Unerfüllte auch, aber wie las ich in der Todesanzeige von Heinrich Missalla:

 

„Es ist besser zu sterben mit einer brennenden Frage auf dem Herzen als mit einem nicht mehr ganz ehrlichen Glauben“

(Reinhold Schneider)

Ein Impuls von Barbara Reene-Spillmann, KAB-Bildungsreferentin

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